top of page
Anker 10
Anker 8
World of Confusion, 170x220cm, oil and f

 Courtesy of Studio Armin Böhm © Gunter Lepkowski

Armin Boehm

​

"World of Confusion"

​

170 x 220 cm, Ölfarbe und Stoffe auf Leinwand, 2019

​

Aus der Vogelperspektive und über die Körpersilhouette des Künstlers nähern wir uns der Bildwelt von Armin Boehm: Scheinbar schwebend umrundet er die Welt, erst in Richtung Osten, vorbei an der Skyline von Shanghai, weiter durch eine von Neon- Scheinwerferlicht durchfluteten Filmszenerie einer US-amerikanische Kleinstadtidylle, bis nach Gräfwinkel, dem Inbegriff des deutschen Hinterweltlertums, wie auch seiner Heimat. Treffpunkt am Ende der Reise ist das Berghain, ein Mikrokosmos der Tanzkultur Berlins mit einer paradiesisch toleranten Atmosphäre. Mit der einen Hand am DJ-Pult, „entertaint“ das in der Bildmitte angelegte Selbstbild des Künstlers. Gleichsam, mit dem Pinsel in der anderen Hand, visualisiert, provoziert, schafft oder zerstört es. Und nicht nur die äußere, sichtbare Welt. Das Selbstporträt gibt auch den Blick auf die innere Welt des Künstlers frei: Aus einem nebulösen Körperraum gehalten durch ein Skelett aus Fischgräten und maschinellen Konstruktionsteilen, tauchen die für den Künstler als EU- Bürger identitätsstiftende Motive wie Familie, Natur und Fortschritt in Medizin und Technik auf. In einer subtilen, transluziden Formensprache, die an die sanften grenzerweiternden künstlerischen Gesten innerhalb eines Propaganda-Formalismus erinnern - wie einst bei Walter Womacka’s repräsentativen Gemälde „Wenn Sozialisten träumen“ - suggeriert das Selbstbild Visionäres. Erstmalig so präsent im Bild, ist das künstlerischen Selbstporträts ein Sinnbild für die Überzeugung von der Kunst als eine verbindende und kommunikative Kraft, insbesondere der Malerei und durch den Künstler als Vermittler. Die Gabe des Künstlers, wie bei Boehm, aus einem wachen Moment heraus, der Zugriff auf unzählige Inhaltsebenen bereithält, eine universell verständliche Formensprache zu schaffen, formuliert bereits Paul Klee in seinem Jenaer Vortrag von 1924 als Rolle des Künstlers um:

​

„Der Künstler hat sich mit der vielgestaltigen Welt befasst (...), diese vielverästelte und verzweigte Ordnung möchte ich mit dem Wurzelwerk des Baumes vergleichen. Von daher strömen dem Künstler die Säfte zu, um durch ihn und durch sein Auge hindurchzugehen. So steht er an der Stelle des Stammes. (...) Und (der Künstler) tut an der ihm zugewiesenen Stelle beim Stamme doch gar nichts anderes als aus der Tiefe Kommendes zu sammeln und weiterzuleiten. Weder dienen noch herrschen, nur vermitteln. Er nimmt also eine wahrhaft bescheidene Position ein. Und die Schönheit der Krone ist nicht er selber, sie ist nur durch ihn gegangen.“

​

Die gemalten Bildwelten von Boehm, die sich aus mehreren Realitäten erschaffen und so (über) eine persönliche, mit Medienbildern gespickten simultan gestalteten Bildwelt, auch ernstzunehmende, aktuelle gesellschaftskritischen Themen ansprechen, sind Nährboden für Wissensbereicherung, Bewusstseinserweiterung, einen Perspektivwechsel. Ein veränderter Sehprozess stellt sich auch durch die Formensprache Boehms ein: Zahlreiche Menschenfiguren mit Mehrfach-Gesichtern ziehen die Aufmerksamkeit durch ein offenkundiges Narrativ auf sich. Auf der Gestaltungsebene wird ein zweiter, kontemplativer Blick, gefordert, der über einen flüchtigen illusionistischen Moment, ein Wechselspiel von Materialien auf dem Bildträger beobachten lässt. Diese für Boehms Arbeiten markante Ambivalenz der Oberfläche, entsteht aus einem feinfühligen Umgang mit und einem präzisen collageartigen Auftragen von Stoffresten auf Farbflächen. Diese Betonung der Fläche durch eine doppelte Materialität und Abgrenzung, gepaart mit der in die Fläche aufgesplitterten Allansichtigkeit der Menschenköpfe, lassen an die kubistischen Portraits Pablo Picassos denken, während die collagenhafte Oberflächengestaltung der Leinwand als Erweiterung oder Überwindung traditioneller Bildformen im dadaistischen Sinne verstanden werden kann.

​

Ein einzigartiger Mehrwert dieses spannungsvollen Spiels der Materialien in Boehms Malerei ist in der Sensibilisierung des Auges hin zu einer Verschiebung des Wahrnehmungsprozesses zu entdecken: auf der Suche nach differenzierten Formen auf der Leinwand, verschiebt sich der Blick auf die Details, auf die strukturellen Unterschiede des Bildes. Die Perspektive kehrt sich um: von der Figur und dem Narrativ hin zu einem abstrahierten Blick vom Fragment zum Ganzen. Diese Sichtweise führt wiederum zurück zur Lesbarkeit und Bedeutungskraft des Bildes: Das Künstlerbild bietet dem
Betrachter eine individuelle Position an, mit einer suggestiven Kraft für ein Besinnen auf sich selbst und auf den Einzelnen als Ausgangspunkt für eine Annäherung und eine gegenseitige globale Verständigung im derzeit turbulenten Weltgeschehen. Sein Selbstporträt ist ein Türöffner in seine Bildwelt und gleichzeitig ein Brückenschlag, eine empathische Geste, durch die sich Ursehnsüchte des Menschen abseits kultureller und ideologischer Unterschiede offenbaren.

​

Daniela von Damaros

(August 2019)

​

Nach oben

IMG_9767%20(1)_edited.jpg

 Courtesy of Studio Armin Böhm © Daniela von Damaros

Jonny-Star-Space-2-2020-photo-by-jjimage
Anker 11

 Space 2, 2020, Pigmentdruck auf Stoff , Stoff, Swarovskiperlen, Wolle, 100 x 135 x 10 cm courtesy of the artist, photo by jjimage

Jonny Star

​

Space 1 - 6, 2020

je 100 x 135 x 10 cm, Pigmentdruck auf Stoff, Stoff, Swarovskiperlen, Wolle

​

"Gegen den Strom"

​

Jonny Stars neue Wandbehänge mit dem Titel Space wirken wie Standbilder aus einer surrealen Filmszene. Sie zeigen menschliche Körper und Koi-Karpfen, die sich gemeinsam durch einen weißen Raum und scheinbar aus dessen Mitte heraus an die Oberfläche bewegen. Was dadurch für uns sichtbar wird, wirkt trotz der Dynamik der Körpergesten wie eingefroren. Träumerische Leichtigkeit steht hier einer Schwere gegenüber.

​

Mit Hilfe der digitalen Collage lässt die Künstlerin diese surrealen Bildmotive entstehen. Fotografische Vorlagen werden fragmentiert, coloriert und neu komponiert. Das Motiv wird auf Stoff übertragen und erfährt durch Stickereien eine zusätzliche materielle Schwere. Die verwendeten Swarovski-Perlen und der das Motiv einrahmende gemusterte Stoff setzen das Bild durch ihre Funktion als kompositorische Elemente zusätzlich unter Spannung. Stoff und Perlen korrespondieren in ihrer fleischig roten Farbigkeit und tragen die Wandbehänge durch Glanz und Muster mit einer leichten, spielerischen Ästhetik an uns heran. Flimmernde, ineinanderfließende und teilweise über die Konturen hinauslaufende Farben lenken unseren Blick auf die Gesten der Protagonisten. Suggerieren sie Berührungspunkte mit dem Außen? Lassen sie die Grenze von Bildraum und Außenraum verschwimmen?

​

In der Auflösung der Bildoberfläche bietet uns Star die Möglichkeit an, in eine fremde Erlebniswelt einzutauchen. Ähnlich wie ein Aquarium, das einen Einblick und einen Bewegungsfreiraum erlaubt, über körperliche Gesten und Berührungen aber auch eine Limitierung erfahren lässt. Transparenz und Offenheit scheinen hier mit Verletzlichkeit und Einschränkung einherzugehen. Leichtigkeit und Schwere der künstlerischen Ausdrucksmittel evozieren Sinnbilder von Freiraum und Zwang, Vision und Erinnerung, Traum und Trauma.

​

Das Zusammenspiel von Mensch und Koi-Karpfen assoziiert die bedeutende Rolle der Tiere in der japanischen Kultur. Der Tradition nach, sind Kois, die sogenannten „Nishikigoi“, aufgrund ihres kraftvollen Wesens, ihrer Ausdauer und der Fähigkeit gegen den Strom zu schwimmen, ein Symbol für Stärke, Durchhaltevermögen und Mut. Sie können der Legende nach als einzige Tiere den „Gelben Fluss“ überwinden. Dann verwandeln sie sich in einen Drachen, der für Glück, Erfolg und Reichtum steht.  Kindern wird bis heute „Koinobori“, sogenannte „Wind-Koi“, auf ihrem Lebensweg mitgegeben und somit sinnbildlich die Werte der Kois. Diese vermitteln die Vision eines glücklichen und freiheitlichen Lebens, deuten aber auch auf Ziele hin, die sich mit denen des heutigen kapitalistischen Systems decken.

​

Sind wir denn richtig hier, in diesem Aquarium voller Koi-Karpfen? Sind die Werte von Erfolg und Reichtum auch unsere Werte? Oder ermutigen uns die Kräfte und Fähigkeiten der Kois, die Werte des Systems, in dem wir leben umzudenken und auf unsere inneren Bedürfnisse zu lenken? Jonny Star legt mit ihren neuen Arbeiten Space eindrücklich und spielerisch offen, was es bedeuten kann, einen Blickwechsel zuzulassen: Träume zu leben und wohlmöglich Trauma zu begegnen.

 

Daniela von Damaros

(Juli 2020)

​

Nach oben

Jonny-Star-Space-1-2020-photo-by-jjimage

Space 1, 2020, Pigmentdruck auf Stoff , Stoff, Swarovskiperlen, Wolle, 100 x 135 x 10 cm

courtesy of the artist, photo by jjimage

ZURAG_200711_150x400cm_edited.jpg
Anker 9

ZURAG 200711 by OTGO 2020, Acryl auf Leinwand, 150 x 400 cm; Courtesy of © Studio OTGO

Otgonbayar Ershuu

​

"Die Aufhebung von Raum und Zeit"

​

In den Malereien des mongolischen Künstlers Otgonbayar Ershuu (Otgo) taucht der Betrachter ein in ein unendliches Meer aus Figuren, von minutiös gemalten Tieren, Menschen und Blüten. Manchmal arbeitet der Künstler - in Etappen - über mehrere Jahre an einem Bild und kreiert durch Wiederholung und Überlagerung der Figuren diese einzigartige materielle und motivische Dichte. Seine Bilder hüllen den Betrachter mit ihrer Atmosphäre ein, lassen ihn an den ornamentalen Reichtum der Architektur des Orients erinnern. Die leuchtenden Acrylfarben und die Komposition wiederum versetzen die Figuren in eine Dynamik, die sie im sechseinhalb Meter langen Gemälde INFINITE zu fließen beginnen lassen. Aus der Ferne und der Vogelperspektive betrachtet, bewegen sie sich wie in der Form eines Flusslaufs über einer Landschaft hinweg, und laufen sogar über die Leinwand hinaus…

​

Bewegung spielt eine wesentliche Rolle in der künstlerischen Arbeit Otgos. Sie dient als Sinnbild für die Vergänglichkeit der materiellen Welt und dem Ausgesetzt sein ständiger Transformation. Die Bedeutung der Vergänglichkeit und der Kraft, die der Zerstörung innewohnt, hat der Künstler spätestens während seiner Ausbildung bei einem Thangka-Meister erfahren. Er lernte, die gerade fertiggestellten Bilder wieder zu zerstören. Es ist eine buddhistische Übung, von der materiellen Welt los zu lassen und im Moment zu sein, Konzentration zu üben, das Ego zu mindern und damit den Geist zu reinigen. Die Mandalas buddhistischer Mönche entstehen in diesem Bewusstsein. Und so auch die Malereien Otgos. Alles was während des Arbeitsprozesses im Atelier passiert, so sagt der Künstler, hat Einfluss auf seine Malerei. Ständige stille Begleiter dieses Prozesses - oder sogar Totems - sind Relikte mongolischer Nomaden, die der Künstler in seinem großzügigen Atelier aufbewahrt.  Das sind zum Beispiel ein Dachkranz und eine Scherengitterwand eines sogenannten Jurtes, das Zelt mongolischer Nomaden. Verglichen mit deren Lebensweise der permanenten Wanderung, erfahren auch viele der Arbeiten Otgos ständige Veränderungen in Form einer Weiterführung und Übermalung - manchmal erst Monate oder Jahre später - die dann die ursprüngliche Version oft nicht mehr erkennen lassen.

​

ZURAG_200607_by_Otgo_100x175cm.jpg

 ZURAG 200711, 2020, Acryl auf Leinwand, 150 x 400 cm; Courtesy of © Studio OTGO

Der Miniaturmalerei hingegen bleibt der Künstler treu. Die 600 miniaturisierten Thangka-Malereien, die Otgo bisher angefertigt hat und ihn als einen Meister dieser buddhistischen Bildtradition charakterisieren, bringt er nun auf eine Leinwand, denn seine Bildformate nehmen mittlerweile bemerkenswerte Ausmaße an.

In der Fülle der Sujets ist das Pferd besonders häufig zu finden. Das überrascht wenig, denn ein Sprichwort sagt „Ein Mongole ohne Pferd ist wie ein Vogel ohne Flügel“. Im Land der Reitkunst lernten die Kinder das Reiten noch bevor sie laufen konnten. In der fast zwei Meter langen Arbeit ZURAG 200607 nimmt der Betrachter einen blauen Teppich aus Pferden wahr, der sich - mal mehr und mal weniger dicht “gewebt“ - wie ein Nebel über eine von der untergehenden Sonne angestrahlte Gebirgslandschaft legt.  Das Bild ZURAG 200606, das sich derzeit noch im Malprozess befindet, ist durchzogen vom Motiv des Zebras. Für den Künstler ist das Zebra als Wildpferd ein Symbol für die Ohnmacht des Menschen das Tier zu zähmen, die solange anhält, wie er das Tier als Pferd betrachtet und nicht als das wilde Wesen, was es eigentlich ist.

​

Das stets präsente Thema der Bewegung wird dem Betrachter in dem vier Meter langen Gemälde ZURAG 200711 am deutlichsten vor Augen geführt. Zu sehen sind menschliche Körper im freien Fall, die gelegentlich Halt an einem Gerüst aus Farbspuren finden. Die charakteristische Dichte der Bildmotive wird hier aufgelockert und damit zugleich der Blick in den Bildraum freigegeben. Die Figuren scheinen sich in der Unendlichkeit des Dunkelblaus zu verlieren oder sich in der reinen Farbe, als Ausdruck von Energien, aufzulösen.

​

Daniela von Damaros

(September 2020)

​

Nach oben

IMG_6985_edited.jpg

 INFINITE – 16 by OTGO, 2013 – 2020, Acryl auf Leinwand , 213 x 650 cm; Courtesy of Studio OTGO © Daniela von Damaros

0905k.jpg

Aus der Dunkelheit geboren

 

Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe;

[…] Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage und habe seinen eigenen Samen bei sich selbst auf Erden.

[…] Es errege sich das Wasser mit webenden und lebendigen Tieren, und Gevögel fliege auf Erden unter der Feste des Himmels.

(1 Mose, Gen 1,2.11.20)

 

Der Entstehungsprozess des überdimensional großen Gemäldes ZURAG 63 lässt an die biblische Schöpfungsgeschichte denken, mit der Erschaffung der Erde, des Himmels, der Meere, der Länder und allen Lebewesen. Auf sechs Metern Länge hat der in der Mongolei geborene und in Berlin lebende Künstler Otgonbayar Ershuu (Otgo) in Zyklen und über zwei Jahre (2017-2018) hinweg dieses bildnerische Paradies geschaffen. Der Künstler nimmt uns nun mit auf eine Reise durch seinen künstlerischen Kosmos, um einen Einblick in die Genesis dieses Gemäldes zu gewinnen...

​

Video

​

... aus der Dunkelheit - der Grundierung der Leinwand mit Karbonschwarz - erwacht in ZURAG 63 ein lichtdurchflutetes Paradies. Die Lichtquelle und fruchtbare Saat ist hier die Farbe, mit deren Hilfe die gestalterischen Elemente auf dem Bildträger zu „keimen“ beginnen: Grün für die Pflanzen, Blau für das Wasser, Rot für die Früchte und Gelb für die wärmespendende Energie der Sonne. Diese in luftig-lockeren Schichten aufgetragenen Farben sind wie ein Nährboden für die unendliche Vielzahl von figurativen Formen, die später auf der Bildfläche entstehen. Würde man eine dieser Farbschichten als Momentaufnahme einfrieren und wieder aufdecken, dann erschiene eine Malfläche, die an eines der Seerosengemälde von Monet erinnert.

​

.

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

 

[…] Laßt uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

(1 Mose, Gen 1,26)

 

Bevor der Malgrund des Gemäldes „bewohnt“ wird, ziehen die Jahreszeiten und Naturgewalten durch das Bild. Der Künstler versinnbildlicht dies durch die Wahl der Farben und der Technik des Farbauftrags. Otgo beträufelt die Leinwand immer wieder mit wässriger Acrylfarbe. Monsuunartig überströmt ein Blau das Bild und lässt Formen untergehen und im nächsten Moment neue erblühen. Ein zyklisches Werden und Vergehen schreibt sich mittels Spuren des Ausspülens und Überlagerns von Formen und Farben in die Leinwand ein. So wie der Künstler einst von seinem Meister gelehrt wurde, seine aufwendig und minutiös gemalten Tangka-Malereien sofort nach der Fertigstellung wieder zu zerstören, durchläuft der Künstler dieses Prinzip nun wieder und wieder und bereits während des langen Arbeitsprozesses an diesem Gemälde.

Mit der Zeit lagern sich die zahlreichen Farbschichten wie in einer geologische Formation auf dem Bildträger ab und formen allmählich eine Landschaft, mit einem Flusslauf, Bergen und Tälern. Das Bild gewinnt an Perspektive und offenbart einen Blick in die Tiefe, durch die Lianen des Farbdschungels hindurch.

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

​

 

Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie einen Mann und ein Weib.

(1 Mose, Gen 1,27)

 

Was sich nun nach und nach aus der Tiefe des Dschungels dem Betrachters zeigt, sind präzis gemalte Motive wie Blumenblüten, Pflanzen, Tiere, und menschliche Figuren. Letztere tummeln sich in energetischen Strömen und – aus der Nähe betrachtet - tänzelnd, fallend, reitend, schwimmend oder schwebend durch das Dickicht der Farbe und über den gesamten Bildträger. Sie finden sich dabei in einer friedlichen Gesellschaft von Pelikanen, Pferden und Wildkatzen wieder. Die androgyn gestalteten Körper der menschlichen Figuren erfahren erst spät durch die zeichnerische Hand des Künstlers eine Geschlechterdifferenzierung. Manche Wesen bleiben sogar geschlechterlos oder verschmelzen in der Struktur ihres  Inkarnats mit dem Fell der Tiere. 

​

Hier lässt sich ein Zeitgeist von Genderdebatten und Umweltschutz ablesen, oder  ein neuartiger Blick auf den Menschen, ja auf alle Lebewesen. Der Künstler fokussiert das Menschliche, das Ursprüngliche und Wesenhafte an, und geht zu jenem Ursprungsbild zurück, das eine Verbindung zwischen allen Lebewesen offenbart. Vor diesem Hintergrund können Vers 26 und 27 der Genesis kritisch gelesen werden.

​

Es werde Licht! und es ward Licht.

(1 Mose, Gen 1,3)

​

Die Reise durch den bildnerischen Kosmos OTgos führte den Betrachter aus der Dunkelheit in eine Fülle, in ein wohlig warmes Meer aus Formen und Farben. Die Reise verhilft jedoch auch zu der antagonistischen Erkenntnis, dass es bei solch einer Fülle schier unmöglich ist, jemals alles zu sehen.  Es ist eine Reise, die niemals enden wird...

​

Daniela von Damaros

0953.JPG
0968.JPG
bottom of page